Eine Arbeit, die Sinn macht

Viele Berufstätige wünschen sich eine sinnvolle(re) Arbeit. Doch was heisst sinnvoll? Was gibt einer Arbeit Sinn?

Sinnlose Jobs

Laut einer umfassenden Untersuchung in Grossbritannien hält dort jeder Dritte seinen Job für sinnlos. Weitere 19 Prozent sind sich nicht sicher, ob ihr Job für etwas nützlich ist. David Graeber, der bekannte Anthropologe und Autor des Bestsellers "Schulden", schätzt, dass gegen 40 Prozent der Beschäftigten eine sinnlose Tätigkeit verrichten.

Graeber beschreibt die zentralen Ursachen für diesen Missstand in seinem neuen Buch "Bürokratie. Die Utopie der Regeln" . Sein Fazit: Die Bürokratie greift auf alle Systeme über. Vieles ist überflüssig und gehört eliminiert. "Jeder dritte Job ist sinnlos." Sinnvoll wird durch Graeber mit "nützlich" gleichgesetzt. Dass eine Arbeit etwas beiträgt und bewirkt, das von Nutzen ist und effektiv gebraucht wird. Im Interview vom Tages-Anzeiger vom 27.2.16 nennt er hierfür beispielhaft Pflegefachleute, Buschauffeure oder Reparateure.

Doch Sinn hat für viele Berufstätige mit mehr als blosser Nützlichkeit zu tun. Sie verbinden damit eine Aufgabe, die für sie eine tiefere Bedeutung hat. Sinnhaftigkeit ist folglich ein subjektives Erleben. Daher gibt es keine eindeutige, objektive Definition von "sinnvoll". Und schon gar nicht eine Liste von "sinnvollen" Berufen oder Tätigkeiten. Oder doch?

Sinnstiftende Jobs

Ende 2014 liess das Wirtschaftsmagazin "Bilanz" eine interessante Umfrage zur Sinnhaftigkeit von Berufsfeldern durchführen. Als mit Abstand am sinnstiftendsten erachten Menschen ihre Arbeit, welche in sozialen Institutionen tätig sind. Dahinter folgen Jobs im Gastgewerbe und in Spitälern. Abgeschlagen auf dem letzten Platz stufen sich Banker und Versicherungsangestellte ein. Nur wenig besser sehen sich Angestellte der öffentlichen Verwaltung und in der Informatik. Mit 340 Teilnehmenden ist diese Umfrage allerdings nicht sehr repräsentativ. Zudem kann ich einen Job als Pflegefachfrau zwar durchaus sinnvoll finden, an der Tätigkeit selbst jedoch wenig Freude haben oder nicht die geeigneten Fähigkeiten dafür mitbringen. Es lohnt sich daher, die Sinnfrage etwas grundsätzlicher zu stellen.

Sinn und Sinnhaftigkeit

"Gehen, reisen, fahren, eine Fährte suchen, eine Richtung nehmen" – diese Bedeutungsebenen stecken im indogermanischen Wort "sent", in welchem das Wort "Sinn" wurzelt.

"Beim Sinn geht es um das Richtige und Wertvolle", sagt die Sinnforscherin Tatjana Schnell von der Universität Innsbruck. Hierin liege der wesentliche Unterschied zum Glück, bei welchem es primär um die angenehmen Gefühle gehe. Die richtige, wichtige Richtung einzuschlagen sei oft auch anstrengend und unbequem und fühle sich nicht immer angenehm an.

Der amerikanische Soziologe Aaron Antonovsky hat sich in seiner Forschungsarbeit zu gesundheitsfördernden Faktoren unseres Lebens intensiv mit Sinn und Sinnhaftigkeit (Meaningfulness) befasst. Er beschreibt Sinnhaftigkeit wie folgt: "Das Leben ist die Mühe wert, es ist sinnvoll und macht Freude. Man ist motiviert, auch schwierige Situationen zu bewältigen. Der Einsatz lohnt sich für einen."

Aus dieser Definition leitet sich die hohe Bewältigungsmotivation ab, über die jemand verfügt, der in seiner Aufgabe einen Sinn sieht. Antonovsky postulierte, dass Menschen, die ihr Leben als sinnvoll erachten, dieses auch besser bewältigen, insbesondere bei schweren äusseren Lebensereignissen. Sinnhaftigkeit wird daher als starker gesundheitsfördernder Faktor gesehen.

Sinnstiftendes Leben

Bedeutsamkeit, Richtung und Orientierung, Zugehörigkeit sowie Stimmmigkeit sind laut Sinnforscherin Tatjana Schnell von der Universität Innsbruck die sinngebendsten Merkmale unseres Lebens. Was wir tun, wie wir handeln, das muss bedeutungsvoll sein, für uns und vor allem auch für andere. Dann sollten wir wissen, wohin die Reise im Leben geht, unserem inneren Sinnkompass folgen. Und wir sollten uns aufgehoben fühlen in einem Menschenkreis (Familie, Freunde, Arbeitskolleginnen, Gleichgesinnte). Wenn dies alles zusammenpasst und wir unseren fundamentalen Lebenszielen treu bleiben, erleben wir unser Leben höchst wahrscheinlich als sinnvoll.

Schnell untersuchte in einer repräsentativen Studie, welche Quellen Menschen als sinnstiftend erleben. Weit obenauf schwingen hier:

  • Generativität, d.h. Tun/Erschaffen von Dingen mit bleibendem Wert
  • Bewusstes Erleben durch Achtsamkeit und Rituale
  • Ausgewogenheit und Gleichklang mit sich selbst und andern
  • Entwicklung im Sinne von Zielstrebigkeit und Wachstum
  • Spiritualität und explizite Religiosität

Es lohnt sich, einen Blick auf alle 26 Sinnquellen und ihren Einfluss auf das Sinnerleben zu werfen.

Fazit

  • Sinnerleben ist eine individuelle Angelegenheit und hat offenbar mit Bedeutsamkeit, Wertvollem und als "richtig" Empfundenem zu tun.

  • Sinn hat aber auch viel mit Richtung, Bewegung und Einsatzbereitschaft zu tun.
  • Zu wissen, wohin meine Lebensreise gehen soll, wozu und wofür ich gelebt haben will, gibt mir einen hilfreichen Orientierungsrahmen.

  • In diesen Rahmen füge ich dann sinnvollerweise meine Berufstätigkeit.

  • Laut verschiedenen Studien haben sinnvolle Jobs oft mit einem Beitrag, einem Tun von bleibendem Wert für die Welt zu tun.

  • Sinnvolle Jobs werden von den Betroffenen mittel- und langfristig positiver gewertet als Jobs mit einem hohen Einkommen.

  • Es gibt Menschen, die schon in jungen Jahren wissen, was für sie sinnvoll ist und daraus ihren Beruf bzw. ihre Berufung ableiten.

  • Für die meisten von uns ist dies jedoch eine vielschichtige Frage, die nicht mit einem linearen "wenn-dann"-Plan beantwortet werden kann.

  • Um herauszufinden was für mich im Leben und im Beruf sinnvoll ist, brauche ich dazu passende Fragen. Eine spannende Zusammenstellung finden Sie im Magazin "EB Navi". Dazu ganz konkrete Fragen im Leitfaden von Tatjana Schnell.

  • Wichtig für die Beantwortung dieser Fragen ist ein ruhiger Ort mit ausreichend Zeit und Abstand zum Alltag.

  • Ergiebig sind sicher auch Gespräche mit Menschen, insbesondere mit Sinnsuchenden bzw. Sinnfindenden.

Zurück zur Blog-Übersicht